Elena Huber im Interview | Von Kommunikationswissenschaften zu Wildspezialitäten
Im schönen Örtchen Pellendorf im östlichen Weinviertel haben Elena und Albert Huber 2017 ihren Betrieb ‚Venatio. Wildspezialitäten aus Jägerhand‘ gegründet. Im Weinviertel, welches auch die eigene Genussregion ‚Weinviertler Wild‘ hat, herrschen ideale Bedingungen für unter anderem Rehe, Wildschweine und Hirschwild um in freier Natur eine stressfreie Lebensweise zu genießen.
Bei Venatio wird heimisches Schwarzwild, Rehwild und Rotwild regional und saisonal veredelt. Das jeweilige Wildbret kommt ausschließlich aus freier Wildbahn und großteils aus dem eigenen Revier! Im Gespräch mit Elena Huber verrät Sie mir mehr über sich und ihren Betrieb, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
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Details zu Venatio, den Produkten und Kursen findet ihr hier im Taste Austria Profil.
Elena, was genau kann ich mir unter ‚nur Wild aus freier Wildbahn‘ vorstellen?
Das Wildbret für unsere Produkte stammt aus freier Wildbahn. Das bedeutet, die Wildtiere wachsen naturökologisch und stressfrei auf, nur dann gehört das Wildfleisch für mich zum einem echten Naturprodukt. Die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit in der freien Natur und die freie Entscheidung des Tieres darüber, was es isst, spielt dabei eine große Rolle. Dazu kommen kurze Transportwege. Das sind enorme Vorteile, die für den Konsum von Wildfleisch sprechen, und die vielen Konsumenten oft gar nicht bewusst sind.
Eure Produkte beruhen auf wie du sagst, „traditionellen und neuen Rezepten und viel Erfahrung‘. Woher kommen deine traditionellen Rezepte, und was gibt dir Inspiration ständig neue Rezepte zu gestalten?
Mein Ziel war es von Anfang an, eine breite Palette an verschiedenen Produkten rund um Wild aufzubauen. Dazu gehören sowohl Klassiker wie Wildschweinsalami, Gulasch oder Leberpastete, als auch solche Kreationen, die man nicht überall kaufen kann und die bei den Kunden ausgesprochen gut ankommen: Rehgeschnetzeltes asiatisch, Fleischbällchen in Tomatensauce oder Wildschweinaufstrich mit Chili und Kürbiskernen.
Durch meine osteuropäische Herkunft bringe ich für meine Kreationen viele Ideen sozusagen „von meiner alten Heimat“ mit und da ich seit Jahren leidenschaftlich gerne koche, finde ich meine Inspiration in zahlreichen Kochbüchern und Zeitschriften, von denen ich schon etliche Exemplare angesammelt habe.
Aufstriche sind sowieso ein eigenes Thema. Speziell was Aufstriche und Pasteten mit Wild betrifft, gibt es in Österreich noch relativ wenig Auswahl. Die meisten Delikatessen im Glas in den Feinkostläden kommen aus dem Ausland. Die Konsumenten legen hingegen zunehmend Wert auf regionale, saisonale und vor allem natürliche Produkte, haben aber verständlicherweise nicht die Zeit sich stundenlang in die Küche hinzustellen. Im Gegensatz zu vielen Pasteten, die es auf dem Markt gibt, sind alle meine Delikatessen im Glas völlig naturbelassen. Ohne Nitritpökelsalz, Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker und sogar ohne Zucker, denn gesüßt wird, wenn dann mit Obst oder Honig.
Ich bin auch ein großer Wildfan und esse Wild für mein Leben gerne. Aber etwas musst du mir verraten: Wie kommt wird man von der Wild-Liebhaberin zur preisgekrönten Wild-Produzentin die weit über die Grenzen von Mistelbach bekannt ist?
Für mich war es schon immer klar dass ich am Land leben möchte, denn schon als Kind verbrachte ich viel Zeit bei meinen Großeltern im Garten oder bei meiner Tante am Bauernhof und da half natürlich gerne mit. Als ich vor elf Jahren mit meinem Mann aufs Land gezogen bin, begann ich verstärkt auf Bauernmärkte zu gehen oder kaufte viele Produkte ab Hof. Nur mit Wild hatte ich überhaupt keine Erfahrung.
Wenn man aber in eine Jägerfamilie eingeheiratet hat, hat man nun mal ausreichend Wildbret zu Hause. Zunächst orientierte ich mich an den Rezepten meines Mannes und bereitete klassische Speisen wie Wildsuppe oder Rehrücken mit Wurzelsauce zu.
Mit der Zeit übernahm ich die führende Rolle rund um die „Verwertung“ von Wildbret und verwende mittlerweile Wildfleisch in vielen Rezepten, für die man sonst Rind oder Schwein benötigt. Ich sehe das aber als einen enormen Vorteil für uns, denn Wild ist die beste Alternative zu Fleisch aus Massentierhaltung. Wild ist ein überaus hochwertiges gesundes Lebensmittel, denn die Tiere bewegen sich in der freien Natur und wählen mit Präzision die für sie beste Nahrung aus. Der Konsum von Wildfleisch bedeutet unter Anderem, dass man sowohl der Natur, als auch dem Tier vergleichsweise wenig schadet. Aus diesem Grund kaufen wir seit Jahren nur noch selten Fleisch von anderen Tierrassen.
Wieso genau Wild? Warum nicht auch andere Fleischspezialitäten?
Wildfleisch ist ein einzigartiges edles Produkt und gleichzeitig nachhaltig, regional und natürlich. Es ist sehr gesund, da cholesterinarm, eiweißreich und sogar nährstoffreicher als das Fleisch von Rind oder Schwein. Wildfleisch ist reich an Omega-3 Fettsäuren und verfügt über einen geringen Fettanteil. Für mich war es in erster Linie wichtig, das bislang wenig genutzte Potenzial des heimischen Wildbrets optimal ausschöpfen zu können, denn nach wie vor wird in Österreich leider immer noch viel zu wenig Wild gegessen.
Wie und wann genau entstanden der Wunsch und der Entschluss sich Selbständig zu machen?
Ich hatte schon lange den Wunsch im Bereich Kulinarik und Gastronomie zu arbeiten, hatte aber beruflich immer wieder andere Sachen zu tun. Nachdem mein Vertrag an der Universität Salzburg ausgelaufen war, wollte ich mich für die Stellen im wissenschaftlichen Bereich nicht mehr bewerben und stattdessen lieber nach einer spannenden Tätigkeit mit Praxisbezug suchen.
Ich kam über Umwege zu der Teilnahme an dem Mentoring-Programm, das von der ehemaligen Frauenministerin Rauch-Kallat und dem Club alpha ins Leben gerufen wurde. Ein Jahr lang wurde ich von Christina Mutenthaler, Leiterin des Bereichs Kulinarik & Regionalität der Energie- und Umweltagentur NÖ, begleitet. Sie gab mir den entscheidenden Anstoß für die Gründung von Venatio und ermutigte mich zu der Umsetzung meines lang ersehnten Vorhabens, Produkte aus dem Weinviertel österreichweit zu vermarkten.
Ohne ihre wertvollen Tipps und zahlreiche Informationen rund um die Direktvermarktung, Gastronomie und Kulinarik hätte ich mich wahrscheinlich immer noch nicht getraut, dieses für mich unbekannte Feld zu betreten.
Von der Kulturwissenschaft zur Verarbeitung von Wild. Wie genau lassen sich diese sehr unterschiedlichen Bereiche vereinen? Woher kam die Entscheidung zum Wechsel?
Für die Menschen in meinem Umfeld war es zunächst doch überraschend, auch wenn mich die meisten von denen von Anfang an mit Rat und Tat unterstützten. Keine Frage, selbst ich musste lange mit dem Zweifel kämpfen, ob ich nun das Richtige tue. Mittlerweile bin ich aber glücklich darüber, dass ich diesen Schritt gewagt habe und Stück für Stück ein eigenes Unternehmen aufbaue. Auch wenn es nicht immer leicht ist, ich bereue nichts, denn ich mache das alles leidenschaftlich gerne, habe noch viele Ideen und kann meiner Kreativität freien Lauf lassen. Meine Erfahrungen im Projektmanagement kann ich als Unternehmerin sowieso sehr gut nutzen und mit der Kulturwissenschaft, mit der ich mich an der Universität in Salzburg beschäftigte brauche ich nicht abzuschließen, schließlich kann ich auch jetzt genauso Bücher schreiben und neue Projekte rund um Gastronomie und Kulinarik umsetzen. Ich sehe es als einen Vorteil, wenn man Quereinsteiger ist.
Du bist Seminarbäuerin. Was hat dich dazu bewegt? Welche Kurse und Workshops liegen dir besonders am Herzen und werden bald zu besuchen sein?
Seminarbäuerinnen sind für viele Menschen leider immer noch nicht ein Begriff. Für mich hingegen in erster Linie durch die Buchautorin Elisabeth Lust-Sauberer schon. Seminarbäuerinnen setzen sich für die Wertschätzung der heimischen Lebensmittel ein. Ich wusste also sofort, als wir mit der Direktvermarktung begonnen haben, dass ich ebenfalls Seminarbäuerin werden möchte.
Grundsätzlich geht es mir bei meinen zukünftigen Kochkursen und Workshops darum zu zeigen, wie vielseitig verwendbar das Produkt Wild eigentlich ist und dass man es nicht nur als Bestandteils eines Festmahls und nicht nur im Herbst genießen kann. Ich möchte den Leuten die Angst vor dem Thema Wild nehmen, denn viele glauben, dass die Zubereitung von Wildfleisch besondere Kochkenntnisse erfordert. Gleichzeitig stehen bei mir nicht nur Wild, sondern viele andere regionale und saisonale Produkte im Vordergrund. In der Hektik der heutigen Zeit geht das Kochwissen von früher leider verloren, zudem glauben viele Konsumenten, dass der Einkauf von regionalen Produkten kosten- und zeitaufwendig sei. Ich möchte sie mit meinen Kochkursen von dem Gegenteil überzeugen.
Welche Rolle spielt Bio für dich? Gibt es eine Zertifizierung für Wild?
Wild lebende Tiere fallen nicht in den Bereich der EU-Öko-Verordnung und die Produkte dürfen daher nicht als „ökologisch“ oder „biologisch“ verkauft werden. Nichtsdestotrotz sehe ich für mich nicht nur als Produzentin, sondern auch als Konsumentin heimisches Wildbret aus vielen verschiedenen Gründen dem Bio-Fleisch gleichgesetzt.
Generell stehe ich Bio relativ neutral gegenüber, wenn ich auch den Hype rund um dieses Thema zeitweise als etwas übertrieben betrachte. Für mich ist der direkte Kontakt zum Produzenten oder zum Bauern viel wichtiger, als ein Zertifikat. Zudem weiß ich, dass gerade viele kleine Produzenten es sich nicht leisten können, sich Bio zertifizieren zu lassen, trotzdem aber nach Bio-Richtlinien produzieren. Warum soll ich sie dann beim Einkauf ausschließen? Ausgerechnet viele Bio-Läden machen das aber so und beziehen ihre Ware aus dem Ausland, anstatt Produzenten aus der Umgebung zu unterstützen. Das ist für mich ein Paradox.
In welcher Form spielt Nachhaltigkeit eine Rolle für dich?
Nachhaltigkeit ist für mich überaus wichtig. Wildfleisch ist ja ein regionales und nachhaltiges Produkt und auch bei der Verpackung sollte es möglichst so bleiben. Ich versuche die Verpackung daher, wo es nur geht, zu vermeiden oder wenn dann Papier dafür zu verwenden. Beim Versand der Produkte, die nicht gekühlt werden müssen, verwende ich ausschließlich Kartons und Holzwolle. Außerdem nehme ich vor der jeweiligen Veranstaltung die Bestellungen der Kunden entgegen, so können sie Versandkosten sparen und auf unnötiges Verpackungsmaterial wird verzichtet.
Alle unsere Gläser, egal ob im Einzelverkauf oder im Rahmen des Cateringservice, kann man retournieren. Damit möchte ich im Vergleich zu den meisten Essenslieferanten auf die Verpackung gänzlich verzichten. Hierfür wird auch kein Pfand verlangt.
Liebe Elena, wir kommen zu meinem Markenzeichen, die Frage der Fragen.
Wenn du die Chance hättest, den Konsumenten etwas mitzuteilen. Was wäre dir wichtig dass diese erkennen, sehen oder worauf mehr achten?
Unsere Konsumgesellschaft entwickelt sich seit den 1960er Jahren immer rasanter, alles muss in Überschuss und zu jeder Zeit vorhanden sein, jeder Wunsch muss den nächsten Wunsch hervorrufen, die Schnelllebigkeit von Konsumgütern nimmt zu. Und wenn man nonstop konsumieren will, kann man sich hochwertige Produkte nicht leisten und greift stattdessen auf immer günstigere Angebote zurück. Was aber viele nicht verstehen, diese Entwicklung schadet nicht nur den Produzenten und unserer Umwelt, sondern den Konsumenten selbst. Egal, ob das gesundheitliche, wirtschaftliche oder soziale Folgen sind, sie betreffen uns alle, sowohl die in Übermaß konsumieren und jene, die wenig konsumieren.
Bewusster Konsum beginnt beim Einkauf beim Fleischer um die Ecke, anstatt an der Fleischtheke beim Discounter. Das bringt viele Vorteile mit sich: man sichert damit nicht nur Arbeits- und Ausbildungsplätze für die Menschen am Land, stärkt regionale Wirtschaft und bekommt für sein Geld ein hochwertiges Produkt, bei dem man weiß, woher es kommt und unter welchen Bedingungen es produziert worden ist. Mit der Entscheidung bewusst, regional und nachhaltig einzukaufen bestimmen wir unsere Zukunft und die der nachfolgenden Generationen.
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